Dharma, die hinduistische Ethik, bestimmt das Leben eines Hindu in vielfältiger Art und Weise. Persönliche Gewohnheiten, soziale und familiäre Bindungen, Fasten und Feste, religiöse Rituale, Gerechtigkeit und Moral, oft sogar die Regeln der persönlichen Hygiene und Essenzubereitung werden durch den Dharma bestimmt. Hindus sehen die Beachtung des Dharmas nicht nur als Voraussetzung für soziales Wohlergehen, sondern auch für eine gute persönliche Entwicklung. Von der Erfüllung des Dharmas hängt für sie das Karma ab, das die aus den Taten des Individuums entstandenen Resultate beinhaltet (Ursache und Wirkung). Dennoch haben Hindus keinen bestimmten, allgemein gültigen Kodex, keine bestimmte Sammlung von Gesetzen, die für alle gleichermaßen verbindlich wären, wie etwa die Zehn Gebote der Juden und Christen.
Allgemeine Dharmas
Viele Regeln sind auf jeweils eine bestimmte Gruppe von Menschen zugeschnitten, dagegen gelten folgende Dharmas als allgemeine Verhaltensregeln für jeden. Sie kommen in den verschiedenen Schriften an vielen Stellen als besonders wichtige Tugenden regelmäßig vor.
Wahrhaftigkeit(satyam), Enthaltung von Gewalt (ahimsa), Zornlosigkeit (akrodha), Freigebigkeit (danam), Enthaltung von Diebstahl (asteyam), rituelle, geistige u. körperliche Reinheit (saucam), Zügelung der Sinne (indriya-nigraha), Nachsichtigkeit und Verzeihung (ksama), Selbstkontrolle (dama), Urteilskraft (dhi), Mildtätigkeit (dana), Mitgefühl (daya), Gastfreundschaft (atithi). Die Auswahl enthält keine Rangordnung. Ähnliche Regeln sind im Yoga in den Yamas und Niyamas formuliert.
Jeder Hindu kann die „sechs Feinde“ aufzählen: kama (weltliche Begierden) krodha (Zorn), lobha (Gier,Geiz), moha (Verblendung, geistige Dunkelheit), mada (Hochmut) sowie matsarya (Eifersucht und Neid). Deutlich erinnern diese Übel an die „sieben Todsünden“ der Katholiken.
Vier legitime Ziele
Dharma ist eines von vier legitimen Zielen im menschlichen Leben, wobei die beiden letzten Ziele als die höchsten gelten:
• Kama: weltlicher Genuss, Lust, Sexualität
• Artha: Wohlstand und Erfolg
• Dharma: Kosmisches und soziales Gesetz, Tugend, Moral
• Moksha: Erlösung
Hindus lehnen weltliches Streben, Lust und Streben nach Wohlstand nicht als unmoralisch ab, jedoch haben die beiden letzteren Ziele einen höheren Stellenwert. Für das tägliche Leben ist die Erfüllung des Dharma das wichtigste Leitziel.